Mercedes-Benz SL (R 129)

Der Mercedes-Benz R 129 ist ein Roadster. Der zweisitzige Sportwagen gehört zur SL-Baureihe von Mercedes-Benz.

Der Mercedes R 129 wurde als Nachfolgemodell des R 107 von 1989 bis 2001 produziert. 2001 wurde er durch den R 230 abgelöst. Während der langen Bauzeit des Modells wurde die Mercedes-Nomenklatur geändert, sodass die frühen Exemplare als SL-Modell (mit hintenangestelltem SL, z. B. 500 SL) verkauft wurden. Ab 1993 wurden die Klassenbezeichnungen eingeführt und der R 129 wurde zur SL-Klasse (mit vorangestelltem SL, z. B. SL 500).

Modellgeschichte

Allgemeines

SL Heckansicht mit Hardtop

Mit der Entwicklung des R129 wurde bereits Mitte der 70er Jahre begonnen. Da die neuen Generationen des W201 und W124 sehr große Entwicklungs-Ressourcen beanspruchten, wurde das Projekt um 1977 zurück gestellt. Dadurch erklärt sich auch der ungewöhnlich lange Produktionszyklus des Vorgängermodells R107.

Erst um 1982 wurde das Projekt dann erneut aufgenommen. Etwa um das Jahr 1984 herum wurde das Design festgelegt, das Patent dazu wurde am 2. Oktober 1986 eingereicht. Der R129 nimmt bereits einige Designmerkmale des W140 vorweg. Die Bodengruppe orientierte sich am W124, wurde jedoch auf Cabrio- spezifische Erfordernisse wie zum Beispiel Torsionssteifigkeit ausgelegt.

Der R129 besaß zahlreiche technologische Details, so eine Mehrlenkerachse und einen automatisch ausfahrbaren Überroll-Bügel, der im Falle eines Überschlags in Bruchteilen von Sekunden ausgefahren wurde, um die Insassen zu schützen. Später war neben den V8-Aggregaten auch die Zwölfzylinder-Maschine aus der S-Klasse verfügbar.

Technik und Innovation

Der R 129 nutzt im Wesentlichen die Antriebstechnik der jeweils parallel gebauten Mercedes-Benz S-Klasse. Bei der Baureihe R 129 war das zunächst der W 140 und nach dessen Auslaufen sein Nachfolger W 220. Da die Bauzeit der SL-Modelle typischerweise (auch beim R 129) deutlich länger reicht als die der entsprechenden S-Klasse-Limousinen, gab es auch beim R 129 einen Modellübergang mit partiellem Wechsel der Antriebstechnik. Markant war hierbei der Übergang von den klassischen Vierventil-Reihen-Sechszylindern zu den neuen Dreiventil-V6-Motoren, die wesentlich preisgünstiger zu produzieren und beim Frontalaufprall sicherer sind. Auch bei den Achtzylindern wurde von Vier- auf Drei-Ventiltechnik umgestellt.

Das Fahrwerkssystem ADS (Adaptives Dämpfungs-System) wurde erstmals bei einem Mercedes als Option angeboten. Dabei handelte es sich um eine teil-hydraulische elektronische Radaufhängung (siehe Aktive Radaufhängung) mit Niveauregulierung sowohl für die Vorder- als auch für die Hinterachse. Die optimale Dämpfung wurde pro Rad anhand von Parametern von Radbeschleunigungssensoren sowie von Längs- und Querbeschleunigungssensoren des Fahrzeugs andauernd elektronisch berechnet und in vier Stufen angepasst. Zudem wurde das Fahrzeug bei Geschwindigkeiten ab 120 km/h um 20 mm tiefer gelegt und die Bodenfreiheit konnte bei Geschwindigkeiten unter 40 km/h per Knopfdruck um 40 mm erhöht werden.

Beim R 129 wurde zum ersten Mal ein automatischer Überrollbügel verwendet, der im Falle eines Überschlags binnen 0,3 Sekunden ausfährt. Ein weiteres Sicherheitsfeature sind die A-Säulen, die für den Fall eines Überschlags weitgehend knicksicher sind. Neu waren die Integralsitze, bei denen der Gurt und die Kopfstütze in den Sitz integriert sind. Sie bieten deutlich besseren Seitenhalt als die bis dahin verwendeten Sitze. Ab September 1989 war für den 300 SL-24 ein Fünfgang-Automatikgetriebe lieferbar. Für die Achtzylinder waren zu dieser Zeit die schmalen Zahnradsätze noch nicht stabil genug.

Zum Lieferumfang des Fahrzeugs gehört ein Hardtop, das ein Jahr nach Produktionsstart für kurze Zeit gegen Minderpreis abbestellt werden konnte und das im Winterbetrieb das Stoffverdeck schützt. Als Zubehör war ab der ersten Modellpflege ein Panorama-Hardtop erhältlich, das ein gewisses „Cabriogefühl“ auch in den Wintermonaten ermöglichte.

1989 bis 1995

Modellpflege zur IAA 1995

Im September 1995 wurde die Baureihe R129 überarbeitet und auf der Frankfurter IAA 1995 vorgestellt. Die Modellpflege umfasste unter anderem:

  • Neugestaltete Front- und Heckstoßfänger
  • Farblose Deckgläser an den vorderen Blinkleuchten
  • Dezent veränderter Kühlergrill mit nunmehr sechs statt sieben Lamellen
  • Seitenwandverkleidungen und Stoßfänger nicht mehr in Kontrast- sondern in Wagenfarbe
  • Rot erscheinende, bichromatische Heckleuchten
  • Neue Leichtmetallräder im 12-Loch-Design
  • Türverkleidungen, Lenkrad und Sitzdesign leicht modifiziert
  • Neues 5-Gang-Automatikgetriebe für SL 500 und SL 600
  • Modifizierter V12- und 5,0-l-V8-Motor
  • Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP) (Serie nur beim SL 600)
  • Aluminium-Hardtop mit Glasdach und Sonnenrollo (Option)
  • Xenon-Scheinwerfer (Option)
  • Ab Juni 1996 neues Automatikgetriebe auch für SL 280 und SL 320

1995 bis 1998

Modellpflege 1998 und 2000

Im April 1998 erfolgte die zweite Modell-Überarbeitung. Vorgestellt wurde diese auf dem Turiner Automobilsalon: Die Änderungen betreffen eher Details, am markantesten sind die neugestalteten Rückleuchten.

  • Neue V6- und V8-Motoren mit Dreiventiltechnik
  • Neue, ovale Abgasendrohre
  • Außenspiegel im SLK-Design
  • Neu gestaltete Rückleuchten
  • Türgriffe und Karosserie-Anbauteile in Wagenfarbe lackiert
  • Überarbeitete und größere Bremsanlage an der Vorderachse mit neugestalteten Fünfloch-Leichtmetallrädern und Reifen der Dimension 245/45 ZR 17
  • Ab Juni 1998: SL 60 AMG nicht mehr lieferbar

Die finale und dritte Modellpflege (ab Modelljahr 2000) betrifft nur noch Details:

  • Neue Lederexklusivausstattung: Im Gegensatz zu der früheren Ausführung ist nun das Nappaleder weicher und hat eine feine Narbung
  • Kleinere Technikänderungen (Funkfernbedienung, APS30, Motorsteuerung, etc.)

1998 bis 2001

Sondermodelle

Modell Baujahr Stückzahl Ausgangsmodell Änderungen
Mille Miglia April 1994 10 500 SL Außen: Karosserie, Stoßfänger und Verkleidungsteile in Brillantsilber, Mille-Miglia-Emblem an den seitlichen Luftaustritten
Innen: Leder in Blau, Sitzmittelbahnen, Türverkleidungseinsätze in blauem Sonderstoff Karo vom 300-SL-Flügeltürer als Reminiszenz an diesen, sämtliche Holzverkleidungen in Vogelaugenahorn dunkelblau, Holz-Lederlenkrad ebenfalls mit blauem Leder und dunkelblauen Vogelaugenahorn-Einsätzen, oben im Automatik-Wahlhebel ist die Produktionsnummer sowie das Mille-Miglia-Symbol eingesetzt
Mille Miglia 1995 630  ? Zielflagge hinter den Kiemen der vorderen Kotflügeln, schwarz/rote Lederausstattung, Blinker in US-Ausführung, Carbon statt Wurzelholz, Lenkrad und hinterer Verdeckkasten mit roten Nähten, das Modell gab es nur in Silber
40th Anniversary Roadster Edition 1997 750  ?  ?
Special Edition 1998 500  ? Obsidian Schwarzmetallic, rotes Stoffverdeck, rote Instrumenten-Umrahmung, rote Ledersitze (designo), 18″-AMG-Felgen, Kotflügelschild mit „Special Edition“-Schriftzug
Designo Edition (MB UK) 1998  ?  ? Spezielle zweifarbige Lederausstattung grün/schwarz
Designo Edition (MB Japan) 1998 67 SL 500 Spezielle zweifarbige Exclusiv-Lederausstattung, Panorama-Hardtop, EVO II Räder, ESP
Mille Miglia 1999 10  ? Sitze, Carbonleisten, Soundsystem, alle designosilber
SL Edition 2000 700 SL 320, SL 500 Mystic Blaumetallic mit blauem Stoffverdeck und silbermetallic mit schwarzem Stoffverdeck, Perforierte schwarze Nappaledersitze mit silbernem Unterzug, Notzitzbank, Alublende im Kombiinstrument und an der Schaltkonsole im Perlschliff, Holzdekor aus Vogelaugenahorn, beleuchtete Einstiegsleisten mit „SL Edition“-Schriftzug, Albireo-Felgen von BBS
Final Edition 2000 674 SL280, SL320, SL500 Holz Zierteile in „Curly Ahorn“, Leder Exclusiv Ausstattung mit silberfarbenen Ziernäten, Einstiegsleisten beleuchtet mit „Final Edition“-Schriftzug; spezielles Kombiinstrument mit weißen Zeigern und silberfarbenen Abdeckungen. Aussenlackierung schwarz oder silber; „Final Edition“-Logo auf den Seitenteilen am Kotflügel
FormulaOne Edition 2000 20  ? Interieur im Alu-Look (Mittelkonsole und Teile des Lenkrades)
Mille Miglia 2000 12 10 × SL 320,
2 × SL 500
Ausstattung analog SL Edition, zusätzlich beleuchtete Einstiegsleisten mit „Mille Miglia 2000“-Logo, Embleme auf Seitenteilen, Kofferdeckel und Fußmatten; Schaltknauf mit Namen der Fahrer, die diesen Wagen auf der Mille Miglia 2000 gefahren haben und Aschenbecherdeckel mit Mille-Miglia-Logo und Beschriftung „Edition 2000 Series x/12“ (mit x als fortlaufende Nummerierung von 1 bis 12)
Silver Arrow Edition USA 2001 1550 1450 × SL 500,
100 × SL 600
Alublende im Kombiinstrument und an der Schaltkonsole im Perlschliff; Interieur zweifarbig, schwarzes Nappaleder mit silbernen „Condor“-farbenen Akzenten, Chrom-Schachtleisten, Windschott Rahmen hochglanzpoliert, Rahmen Verdeckkastendeckel, geänderte Luftauslässe nebst „Silver Arrow“-Schriftzug der Seitenteile am Kotflügel; Holzdekor Vogelaugenahorn, 18″-Albireo-Felgen, Einstiegsleisten mit „Silver Arrow“-Schriftzug
Mille Miglia 2001 13  ?  ?

Motoren

Im R 129 wurden durchgängig Sechs-, Acht- und Zwölfzylinder angeboten. Anfangs standen die Modelle 300 SL, 300 SL-24 und 500 SL in den Preislisten. Ab 1992 war dann der erste Zwölfzylinder im SL, der 600 SL (später SL 600) lieferbar. Nach und nach bekam der SL die moderneren V6- und V8-Motoren aus der S-Klasse. Diese hatten Doppelzündung und drei Ventile pro Zylinder.

* Die Motorbezeichnung ist wie folgt verschlüsselt: M = Motor (Otto), Baureihe = 3 stellig, E = Saugrohreinspritzung, Hubraum = Deziliter (gerundet)

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Mercedes-Benz R 129 aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

 

Der Mercedes SL R 129, ein gutes Investment

Von Thomas Geiger | Veröffentlicht am 04.06.2014 | Lesedauer: 4 Minuten
Begehrenswert war der Mercedes SL schon immer. Doch als vor 25 Jahren die Baureihe R 129 kam, startete eine Sicherheitsoffensive. Damals ein teurer Luxusliner, ist er heute ein bezahlbarer Klassiker.
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Sportwagen sind unvernünftig und unpraktisch, protzig und provokant, und bei artgerechter Nutzung sind sie bisweilen auch ein bisschen gefährlich. Vor allem den offenen Varianten haftet von jeher etwas Verruchtes und Leichtsinniges an.

Diesem Image zum Trotz startet Mercedes bei seinem Vertreter dieser Fahrzeuggattung im Sommer 1989 eine Sicherheitsoffensive. Dem SL aus der Feder des italienischen Altmeisters Bruno Sacco baut der Hersteller crashsichere Integralsitze ein und als erstem Auto überhaupt einen automatischen Überrollbügel.

Einerseits entfernt sich der Roadster damit weiter denn je vom Ideal des ebenso rasanten wie radikalen Sportwagens, für den das Kürzel SL bis dato stand. Auf der anderen Seite vermag sich das Stahlgestell in nur 0,3 Sekunden mittels vorgespannter Federn über den Insassen aufzurichten und verbessert so die Überlebenschancen auch bei einem Überschlag deutlich.

Aber der SL, dessen Design innen wie außen den nüchternen Schick der späten 80er-Jahre hat, soll nicht nur der sicherste Roadster seiner Zeit sein. Schon damals setzt der schwäbische Hersteller auf Luxus.

Das elektrische Verdeck – heute bis hinunter zum Kleinwagen-Cabrio Standard – ist damals noch ein Spektakel, wenn es sich binnen einer halben Minute unter den Aludeckel faltet. Und das hinter der Rückbank aufstellbare Kunststoffnetz ist eine kleine Sensation. Denn der Windschott ist damals längst noch nicht üblich.

Weiches Fahrwerk, breite Sitze

Doch wer beim Kürzel SL an die ursprüngliche Bedeutung „sportlich, leicht“ denkt, der erlebt beim 129er womöglich eine größere Enttäuschung als bei jeder anderen SL-Generation. Selbst den SL 73 AMG mit 525 PS bremst das hohe Gewicht aus, immerhin wiegt schon die Basisversion 1,7 Tonnen. Solide 230 Stundenkilometer erreicht sie trotzdem.

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Aber gerade die Eigenheit, als sei der R 129 nur eine offene S-Klasse, macht heute den Reiz des Roadsters aus. Das Fahrwerk ist weich statt knackig, die Sitze sind breit statt konturiert, die Lenkung ist alles andere als ein Präzisionsinstrument – anders als etwa bei den Konkurrenten von einst wie Porsche 911, Jaguar XJS oder BMW Z1.

Die Leistung im SL der Baureihe R 129 darf stets als ausreichend bezeichnet werden. So viel ist der Roadster seiner Rennsporthistorie dann doch schuldig. Deshalb muss man nicht zum 326 PS starken 500 SL mit 5,0-Liter-V8 greifen, der am häufigsten produziert wurde und heute entsprechend die Gebrauchtwagenbörsen dominiert.

Ebenso wenig muss es der V12 sein. Schon mit dem Sechszylinder, verbaut zum Beispiel in dem zwischen 1993 und 1998 angebotenen SL 320, ist man bestens bedient.

Mit serienmäßigem Hardtop

Der Motor, als letzter seiner Art im Mercedes-Portfolio noch in Reihe und nicht im V konstruiert, leistet 231 PS und hat mit seinen 315 Newtonmetern Drehmoment genügend Dampf. Gegenüber anderen Roadstern ist der Kofferraum groß, da das Gepäckabteil anders als heute kein Verdeckkasten schmälert.

Und weil auf den Notsitzen im Fond wirklich nur im Notfall jemand sitzen kann, bieten sie sich für weitere Reisetaschen an – so wird der SL sogar zum Urlaubsauto, sofern man zu zweit reist.

Selbst als Allwetterwagen taugt der SL, denn lange vor dem Siegeszug der Klappdach-Cabrios und der fünflagigen Komfort-Verdecke baut Mercedes ihm im Laufe der Modellhistorie ein serienmäßiges Hardtop ein.

Bei seiner Premiere im Jahr 1989 kostet der SL mindestens 99.180 D-Mark. Trotzdem ist der Wagen auf Anhieb so begehrt, dass Mercedes mit der Produktion bei einer Kapazität von 20.000 Fahrzeugen im Jahr kaum nachkommt.

Modell mit Endlos-Qualität

Die Kunden müssen anfangs über ein Jahr auf ihren Wagen warten. 25 Jahre später sind die Preise im Keller: Einzelne Exemplare mit hoher Laufleistung, tief greifendem Tuning oder Reparaturstau gibt es bereits für unter 10.000 Euro.

Aber selbst Fahrzeuge ohne zweifelhafte Individualisierungen, mit fünfstelliger Laufleistung, wenigen Vorbesitzern und durchgestempeltem Scheckheft sind mit ein bisschen Glück noch für weniger als 20.000 Euro zu finden.

Doch die Preise steigen, heißt es beim Klub Mercedes-Benz R129 SL in Stuttgart. „War es vor einigen Jahren noch relativ leicht, einen gut erhaltenen R 129 zu finden, wird die Suche zunehmend schwieriger“, berichtet der Klub. Dabei gilt der Roadster seinen Fans als eines der letzten Mercedes-Modelle mit Endlos-Qualität.

Die Motoren schätzen sie als Dauerläufer, die Rostvorsorge ist wirkungsvoll. Und Sorgen wegen Ersatzteilen muss man sich ohnehin nicht machen: In jeder Markenwerkstatt können sie so selbstverständlich bestellt werden, als handle es sich nicht um einen Klassiker, sondern eine aktuelle A- oder E-Klasse.

Die Preise mögen zwar steigen, doch echten Seltenheitswert hat das Auto noch nicht: Insgesamt produzierte Mercedes zwischen 1989 und der Premiere der Nachfolgebaureihe R 230 im Jahr 2001 knapp 205.000 Fahrzeuge. Das heutige Angebot an Gebrauchten beziffert der R-129-Klub allein in Deutschland auf noch 30.000 Fahrzeuge. Damit ist der Roadster auch nach 25 Jahren noch lange keine Rarität.

Quelle: https://www.welt.de/motor/modelle/article128720027/Der-Mercedes-SL-R-129-ein-gutes-Investment.html geladen am 16.05.2017

 

Mit dem 1989 präsentierten Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129 beginnt eine neue Sicherheitsära für offene Fahrzeuge. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hat noch kein Autohersteller das Problem des Überschlags von Cabriolets gelöst:

Der Windschutzscheibenrahmen als einziger Aufschlagpunkt knickt bei einem Überschlag meist an den Bordkanten ab; eine weitere stützende Auflage hinter den Insassen gibt es nicht, und sie sind dem Geschehen ungenügend geschützt ausgeliefert. Die von Mercedes-Benz angestellten Unfalluntersuchungen mit eigenen Cabriolets ergeben, dass bei Unfällen mit schwersten Personenschäden der Überschlag mit einem Anteil von 24 Prozent beteiligt ist. Das ist Auslöser genug, sich ausführlich mit der Suche nach einer besseren Lösung zu beschäftigen.

Eine Ausnahme bildet lediglich die Konstruktion mit einem fest stehenden und verkleideten Überrollbügel, auch in Form eines Targadachs (ital. targa = [Nummern-]Schild; seit 1965 Dachaufbau bei Porsche). Doch das kommt für Mercedes-Benz nicht infrage, da diese Karosseriebauweise die Cabriolet-Seitenlinie beeinträchtigt und zudem von vielen Liebhabern des offenen Fahrens als Einschränkung empfunden wird.

Aufwendigste Sicherheit für ein offenes Fahrzeug
Für das neue Sicherheitskonzept, das schließlich beim SL der Baureihe R 129 verwirklicht wird, sind zwei voneinander abhängige äußerst anspruchsvolle Schlüsselkriterien zu erfüllen: der Dachfalltest und der Überschlag. Der von Mercedes-Benz bei der Fahrzeugentwicklung durchgeführte Dachfalltest erfolgt aus 50 Zentimeter Höhe, der Überrolltest mit anderthalb- bis zweifachem Überschlag aus einer Höhe von 40 Zentimetern über das Abwerfen des Fahrzeugs von einem sich mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h bewegenden Schlitten. Erschwerend für die Überschlagstabilität kommt beim R 129 der flachere Neigungswinkel der Windschutzscheibe hinzu, der sich gegenüber dem Vorgänger-SL der Baureihe 107 von 46 auf 57 Grad ändert.

Da die größte Biegebeanspruchung der A-Säule beim Austritt aus der Karosserie auftritt und diese sich dort bei einer starken Belastung biegt, aber nicht abknicken darf, sind umfangreiche Experimente bei Materialauswahl und Konstruktion notwendig. Die Lösung bringt eine A-Säulen-Konstruktion, deren Profil aus hochfesten Blechen durch ein eingestecktes und oben schräg abgeschnittenes Rohr verstärkt wird. Diese maßgeblichen Verbesserungen ersetzen allerdings zu keinem Zeitpunkt eine zusätzliche Lösung durch einen Überrollbügel.

Unter der Leitung des Ingenieurs Karl-Heinz Baumann wird über mehrere Entwicklungsstufen hinweg ein Überrollbügel-System entwickelt, dass aus mehreren Komponenten besteht. Es umfasst zunächst einen Überrollbügel aus U-förmig gebogenem hochfestem und vergütetem Rohr, eingelegt in verschweißte Halbschalen und ummantelt mit Polyurethan-Schaum. Hinzu kommen Abstütz- und Betätigungselemente zum Abstützen und Aufstellen des Bügels sowie ein multifunktionales Steuergerät, das in Verbindung mit den Hinterachs-Sensoren eine zum Überschlag führende Situation erfasst und die Funktionen von Überrollbügel und Sicherheitsgurte beeinflusst. Dieses aufwendige System ist einzigartig: Es lässt den Überrollbügel bei einem drohenden Überschlag innerhalb von 0,3 Sekunden hervorschnellen, um seine schützende Wirkung zu entfalten.

Die Erforscher der passiven Sicherheit bei Mercedes-Benz legen nicht nur die Vorschriften einzelner Länder als Maßstab für die Crashsicherheit einer Karosserie zugrunde. Darüber hinaus sind eigene Anforderungen zu erfüllen. Dazu gehört beispielsweise der Offsetcrash mit 40 Prozent Überdeckung aus einer Geschwindigkeit von 55 km/h. Das Unternehmen misst Mitte der 1980er-Jahre diesem Crash eine größere Bedeutung zu als dem seinerzeit geläufigen Offsetcrash mit 50 Prozent Überdeckung aus 60 km/h, der selbstverständlich auch bestanden werden muss. Der Grund: Bei einer 40-prozentigen Überdeckung wird die Karosseriestruktur stärker einseitig belastet. Sie muss in stärkerem Maße Bewegungsenergie abbauen und Intrusionen (Eindringungen) vermeiden, da hier die Motor-Getriebe-Einheit nicht zur Reduzierung der Bewegungsenergie mit herangezogen wird.

Ab dem Modelljahr 1994 ist in den USA der Seitenaufpralltest mit der „Crabbed-Barrier“ vorgeschrieben. Diese Disziplin sieht einen Aufprall mit einem wabenförmigen Kopf eines Rammbocks vor, der mit 54 km/h im Krebsgang auf ein parallel davor stehendes Fahrzeug erfolgt. Damit soll der Aufprall mit den in den USA weit verbreiteten „Light Trucks“ simuliert werden. Die extremen Beanspruchungen der Fahrgastzelle werden bei der Baureihe R 129 von quer versteifenden Maßnahmen in der Boden- und Sitzanlage aufgefangen. So erfinden die Ingenieure den Integralsitz. Von Anfang an erfüllt das 1989 debütierende Fahrzeug diese Forderungen, also bereits fünf Jahre vor Inkrafttreten dieser Vorschrift.

Außer der gesetzlichen Anforderung eines Aufpralltests mit 100 Prozent Überdeckung aus einer Geschwindigkeit von 50 km/h legt Mercedes-Benz noch weitere Kriterien zugrunde: eine Überdeckung von 40 Prozent bei 15 und bei 50 km/h mit einem Aufprall durch Stoßwagen mit und ohne wabenförmigen Stoßkopf sowie ein Heckaufprall mit 50 Prozent Überdeckung bei 50 km/h.

In der Summe aller Maßnahmen kann wohl ohne Übertreibung gesagt werden, dass der Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129 zum Zeitpunkt seines Erscheinens der sicherste offene Wagen der Welt ist. Zugleich ist er damit ein Meilenstein in der Geschichte der passiven Sicherheit.

Quelle: Daimler AG und http://blog.mercedes-benz-passion.com/2012/08/das-sicherheitskonzept-des-sl-der-baureihe-r-129-1989-bis-2001 geladen am 16.05.2017

 

Absolut sehenswert ist auch dieses Video eines SL Überschlags auf der Autobahn:

 

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